Mittwoch, 26. Mai 2021

Invasion der Aliens

Verdrängung einheimischer Tier- und Pflanzenarten durch wissentlich und unwissentlich eingeschleppte Tiere und Pflanzen

Wie stellt man sich einen Alien vor, grün mit Tentakeln, Antennen auf dem Kopf?

     Oder so:

 

 

     Nein? 
 

 
Jedoch gehören diese Arten zu den Alien Invasive Species, IAS (Invasive fremde Arten). Allgemein werden Arten, die sich aufgrund menschlicher Handlungen in nichtheimischen Gebieten etablieren, als Neobiota (im englischen Sprachraum alien species) bezeichnet. Dazu gehören Pflanzen (Neophyta) und Tiere (Neozoa) sowie Pilze (Neomyceta) aber auch Mikroorganismen. Nicht von allen diesen fremden Arten geht eine Bedrohung der heimischen Ökosysteme aus, doch zeigen sich einige dieser fremden Arten verantwortlich für die Reduzierung der Biodiversität in vielen Gebieten sowie die Bedrohung eines Drittels der gefährdeten Arten weltweit. Diese Arten bezeichnet man als invasive Arten (Blackburn et al., 2019: Alien versus native species as drivers of recent extinctions).

Dieser Blog soll die Bedeutung dieses Problems weltweit und speziell in Europa und Deutschland darstellen. Welche Möglichkeiten zur Bekämpfung von IAS bestehen und wie man die Bevölkerung für den Schaden durch IAS sensibilisieren kann. Hier spielt Aufklärung, insbesondere von Schülern und Schülerinnen (SuS) aller Altersklassen eine besondere Rolle. Zudem wollen wir zeigen, dass dieses Thema nicht nur allgemein sehr wichtig ist, sondern auch sehr gut in die Curricula für den Biologieunterricht in allen Schulformen passt.

Inhaltsverzeichnis

Definition  

Ein globales Problem  

Ein nationales Problem  

Einordnung in die Bildungspläne von Baden-Württemberg 

Unterrichtsmaterial  

Quellen weiteres Unterrichtsmaterial  

Bild- und Informationsquellen

Pdf Version ohne funktionierende Links zu Originalquellen

Definition

Die Definition für Neobiota bezieht sich auf Neozoa, Neophyta und Neomyceta. Sie bezeichnet alle gebietsfremden Arten, die nach 1492, der Entdeckung Amerikas durch Columbus, durch menschlichen Einfluss in ein Gebiet eingebracht wurden. Gebietsfremde Arten, die vor 1492 durch menschlichen Einfluss eingebracht, bezeichnet man als Archäobiota.
Einen sehr guten Überblick bietet die tabellarische Übersicht des Bundesamts für Naturschutz.

Ein globales Problem

(Soweit nicht gesondert gekennzeichnet entstammen alle Informationen und Abbildungen dieses Kapitels dem Review von Pysek et al. 2020: Scientists' warning on invasive alien species)

Stand der Dinge

Zu den Neophyta gehören weltweit ca. 14000 Pflanzenarten (inklusive Moose, Flechten und Algen), dies entspricht ungefähr 4% der gesamten Flora. Von diesen werden ca. 2500 zu den IAS gezählt. Die Anzahl an IAS aus dem Bereich der Vertebraten umfasst unter anderem 971 Vogelspezies, 78 Amphibien und 198 Reptilien.
Die folgende Abbildung zeigt Hotspots und Coldspots der etablierten Alien Spezies aus den Bereichen Pflanzen, Ameisen, Spinnen, Süßwasserfische, Amphibien, Vögel und Säugetiere. Dabei zeigt sich, dass Inseln sowie Küstenregionen Hotspots für das Auftreten von IAS sind. Des Weiteren gibt es eine Korrelation zwischen Anzahl IAS und Bruttonationaleinkommen. Faktoren sind hier Handel, stärkere Urbanisierung und dadurch Bildung von Mikro-Nischen, Tourismus sowie Ziergartenbau und "Haus"-'Tierhandel. Geografisch gesehen sind insbesondere gemäßigte und mediterrane Klimazonen stärker betroffen als trockene und heiße Klimate.

Insgesamt die höchste Anzahl an etablierten Alien Spezies findet man auf Hawaii, Neuseeland-Nordinsel (ca. 50% der Pflanzen) und den Kleinen Sundainseln.
Die meisten invasiven Pflanzenarten in Südafrika, Indien, Kalifornien, Florida, Cuba, Queensland (Australien) und Japan.

Einfuhrwege

  • Wissentliches Freisetzen (z.B. Jagd, Fischerei, Haustiere) 
  • Ausbruch (botanische-, zoologische Gärten, Haustiere)
  • Kontaminationen („Unkrautsamen“, Schadinsekten, Pathogene)
  • Blinde Passagiere (auf Schiffsrümpfen-Biofouling, Ballastwasser, latente Pathogene in Pflanzen)
  • Anthropogene Korridore (z.B. Suez-/Panamakanal)
  • Einwanderung von besetzten Gebieten

Die Liste zeigt, dass das Problem häufig selbstgemacht ist, da Vertebraten und Pflanzen meist gewollt eingeführt wurden. Ein paar Beispiele:   

- Der Nilbarsch im Victoria See
- Kaninchen in Australien
- Sika Hirsche in z.B. Neuseeland, Südafrika, Australien und Europa (Bild links)



- Ochsenfrösche in Europa, Südamerika, Asien und Hawaii (Bild rechts)
- Robinien in Neuseeland, Afrika, Asien, Australien und Europa

Der Einfuhrweg von Invertebraten, Algen, Pilzen erfolgt dementgegen meist ungewollt als Kontaminationen.

Zu den neueren Problemen gehört die Umsiedlung von gefährdetet Arten, um sie vor den Folgen des Klimawandels zu schützen, da auch dies ein Eingriff in die existierenden Biozönosen darstellt und zu invasiven Verhalten führen kann.

Weiterhin stellen der Zierpflanzenhandel und der wachsende Onlinehandel mit ungewöhnlichen Haustieren einen neuen Zugang für potenzielle invasive Arten dar. Allein in Europa gibt es 54 Mio. Ziervögel, 28 Mio. Kleinsäuger, 14 Mio. Aquarienfische sowie 9 Mio. Reptilien. Neben der Gefahr durch die Haustiere selbst, können Wildfänge auch als Vektoren für Tier- und Humanpathogene dienen.

Kanäle verbinden einst getrennte biogeografische Regionen und ermöglichen die Verbreitung von invasiven Arten. Man geht davon aus, dass 54% (307) der fremden Arten im Mittelmeer über den Suezkanal eingetragen wurden. (Galil et al. 2009: Alien Marine Biota of Europe, in Handbook of Alien Species in Europe). Trotzdem werden weitere Kanäle geplant wie z.B. der umstrittene Nicaragua Kanal

Das Abschmelzen des arktischen Eises durch den Klimawandel sorgt für eine weitere Verbindung zwischen Atlantik und Pazifik. Dadurch wird nicht nur natürliche Migration zwischen den Ozeanen möglich, dies führt auch zu einem vermehrten Schiffsverkehr, z.B. durch Forschungsreisen aber auch Handel und Tourismus und den damit verbundenen Einführungswegen von fremden Spezies.

Einflussfaktoren

Neben der Globalisierung und dem damit verbundenen Handel gibt es weitere Faktoren, die für die Etablierung invasiver Spezies ausschlaggebend sind. Veränderungen der Landverwendung und damit die Bildung neuer Habitate, die Eutrophierung von Böden und Gewässern oder auch synergistische Effekte durch Kombination verschiedener fremder Arten.
Auch der Klimawandel spielt hier eine Rolle. Zwei Beispiele aus dem Reich der Insekten sollen hier genannt sein: 
1. Die Tigermücke (Aedes albopictus), der Überträger verschiedenster Viruskrankheiten wie dem Dengue Virus oder dem West-Nil Virus, benötigt Temperaturen, die im Winter nicht unter 0° C sinken und im Sommer bei durchschnittlich über 20 °C liegen. Seit Beginn der 2000er kommt es zu einer starken Verbreitung dieser Mücken in Italien und im Adriaraum. (Roques, 2009: Species Accounts of 100 of the Most Invasive Alien Species in Europe, Handbook of Alien Species in Europe) (Bild links)
2. Die Weiße Fliege (Baumwollmottenschildlaus, Bemisia tabaci), neben Schädigung von Pflanzen als saugendes Insekt, gilt sie weltweit als Hauptüberträger von pflanzenpathogenen Viren (>100) die zu Ernteausfällen von 20-100% führen können. Auch hier fördern hohe Temperaturen die Verbreitung, sodass sie mittlerweile in Südeuropa, Mittel- und Südamerika, Afrika und dem Pazifik im Freiland verbreitet ist. In West- und Nordeuropa sowie im Norden der USA findet man sie bisher nur in Gewächshäusern. (Julius Kühn Institut: Datenblatt Bemisia tabaci) (Bild rechts)

Dynamik

Die folgende Abbildung (aus Seebens et al., 2020: Projecting the continental accumulation of alien species through to 2050) zeigt die Entwicklung der fremden Spezies der letzten 200 Jahre sowie die modellierte Entwicklung bis zum Jahr 2050. Die Punkte entsprechen dem Mittelwert aus 100 Simulationen, wohingegen die schattierten Bereiche die gesamte Breite der prognostizierten Entwicklungen darstellen.
Man erkennt, dass die Anzahl der invasiven Arten nach ca. 1950 einem starken Aufwärtstrend folgte und die Prognosen kein Ende dieser Entwicklung abzeichnen.

Invasion in geschützte Gebiete

13% der Landfläche sowie 7% der Weltmeere sind geschützte Gebiete, die speziell empfindlich gegenüber Invasionen durch fremde Spezies sind. 2007 identifizierte ein weltweites Programm (global invasive species program, GISP) 487 Naturschutzgebiete, in denen invasive Pflanzen die Biodiversität bedrohen. 

Ein besonders fragiles Ökosystem stellt die Antarktis dar (aus Rößiger, 2020: Spektrum.de). Eine gelblich-beige stark verzweigte und sehr feingliedrige Flechte wächst auf steinigem Boden.Kälte, wenig Licht und trockener salzhaltiger Boden sorgen dafür, dass nur spezielle langsam wachsende Pflanzen, hauptsächlich Algen, Flechten (Bild, Quelle: Christina Braun/FSU Jena), Moose sowie Pilze und zwei Blühpflanzen die Antarktis besiedeln. Zwei Faktoren gefährden dieses Ökosystem; zum einen wird auch die Antarktis immer wärmer, seit 2015 hat es mehrere Hitzerekorde in mehreren Teilen der Antarktis, zuletzt mit über 20 °C im Norden des Kontinents, gegeben. Zweitens geht die Globalisierung auch an der Antarktis nicht vorbei. Die Antarktis ist ein lohnendes Ziel für Touristen geworden. Mit Antarktis Kreuzfahrten steigt wiederum die Gefahr zur Einfuhr von IAS durch Landgänge aber auch durch das Biofouling an den Schiffsrümpfen.

 

Erste Beispiele von invasiven Arten in der Antarktis sind z.B.:

  • die lokalen Populationen von Fliegen die sich von den Forschungsstationen auf King George Island (South Shetland Island) ausgebreitet haben.
  • die Anwesenheit des Einjährigen Rispengrases Poa annua in der Nähe der Schifffahrtsrouten, welche mit einer statistisch signifikanten Abnahme der beiden nativen Blühpflanzen einhergeht.

Einflüsse auf die Umwelt

IAS können
  • die Ausrottungsgefahr für native Arten erhöhen
  • die genetische Komposition der nativen Population verändern
  • Nährstoff-Abfallkreisläufe beeinflussen
  • die Hydrologie verändern
Für invasive Pflanzen haben 63% der Studien, speziell auf Inseln, eine signifikante Veränderung des Ökosystems im Vergleich zu der Situation vor Auftreten der Alien Spezies gefunden.
Noch vor Jagen, Sammeln und Landwirtschaft stellen IAS die Hauptursache für die Ausrottung von 261 aus 782 Tierarten und 39 von 153 Pflanzenarten dar. Dabei spielen Prädatoren eine größere Rolle als Konkurrenten.
Die folgende Abbildung (aus Doherty et al., 2016: Invasive predators and global biodiversity loss) zeigt die Anzahl gefährdeter (grau) und ausgerotteter (rot) Vögel (B), Säugetiere (M) sowie Reptilien (R) durch invasive Prädatoren. Die Prädatoren sind von links nach rechts: Katze, Nager, Hund, Schwein, indischer Mungo, Rotfuchs und Wiesel.

Einfluss auf das Wohlergehen der Menschen

Die Ausbreitung von Wasserhyazinthen auf dem Lake Victoria verhindert das Fischen und führte somit zur Emigration der Fischer.
File:Meerwalnuss5.jpg 

Eine als Meerwalnus (Bild) bekannte Rippenqualle aus dem Nordatlantik brachte den Sardellenfischfang im Schwarzen Meer zum Erliegen, da sie sich vom gleichen Plankton wie die Sardellen ernährt.

Tamariskensträucher zerstörten Agrarflächen im Südwesten der USA so grundsätzlich, dass sie nicht mehr für die Landwirtschaft zur Verfügung standen.

Der giftige Gestreifte Korallenwels (Plotosus lineatus) sorgt für Verletzungen von Fischern im östlichen Mittelmeer.

   Aga Kröte, Tierwelt Australien, Kröte, Tier, Tierwelt
Die giftige Aga Kröte, die eigentlich zur Schädlingsbekämpfung eingeführt wurde, hat im Norden Australiens zur Ausrottung nativer Reptilien und Säugetiere geführt. Neben dem ökologischen Aspekt führte dies auch zu einem kulturellen Problem, da einige der heimischen Tiere den Aborigines als Totemtiere bei Ritualen dienten und somit die Weiterführung dieser Rituale nun verhindert wird.

Auch Humanpathogene können durch IAS übertragen werden z.B. können Waschbären den Spulwurm Baylisascaris procyonis übertragen. Die aufgenommen Eier schlüpfen im Darm des Fehlwirtes Mensch und können den Darm dann durch die Darmwand verlassen und sich in verschiedenen Geweben niederlassen. (Landesbetrieb Hessisches Landeslabor: Spulwurmbefall in Hessen)

Instrumente zur Regulation und dem Management

  1. Identifizierung von IAS und ihre Risikobeurteilung z.B. EICAT (Environmental Impact Classification for Alien Taxa).
  2. Priorisierung von Maßnahmen zur Verhinderung der Einfuhr von IAS
  3. Zeitnahes Management von neuen EinfällenEffektives Management der vorhandenen, etablierten IAS

Viele Länder haben Listen Invasiver Arten erstellt und den Import verboten.

Zur Überwachung und Monitoring können Freiwillige aus der Bevölkerung  eine große Hilfe sein und neben den wertvollen Daten hat der Prozess der Sensibilisierung der Bevölkerung einen Einfluss auf die Akzeptanz der Maßnahmen für die Biosicherheit. Auf der Homepage des European Alien Species Information Network gibt es eine Übersicht über Bürgerprojekte (Citizen Science Projects on IAS) die nach Ländern sortiert abgerufen werden können. Darunter Projekte zur Beobachtung von z.B. Schmetterlingen, Mücken sowie verschiedene Apps zur Bestimmung und Verortung unterschiedlichster Arten.

Zu 3: Das Management von IAS kann sowohl durch mechanische bzw. physikalische Kontrolle, chemische Kontrolle oder biologische Maßnahmen erfolgen.
Beispiele für biologische Kontrolle sind die Anwendung von Pheromonfallen oder Sterilization männlicher Insekten.

Es gibt vermehrt auch Forschungsansätze zur Anwendung von molekulargenetischen Methoden, hierbei tritt jedoch immer das Problem der Akzeptanz gentechnisch veränderter Organismen auf. Beispiele: 

Durch genetische Veränderung eines Darmbakteriums der Honigbienen- befallenden Varroamilbe produziert dieses dsRNA die über einen Gen-silencing Prozess (Spektrum Video: Gene zum Schweigen gebracht) zum Tod der Läuse führt.
Aedes aegypti Moskitos werden kontrolliert, indem die Männchen ein Gen übertragen, welches dafür sorgt, dass die Nachkommen nicht fliegen können und somit sterben. Ein weiteres Projekt, Target Malaria, dient der Bekämpfung der Anopheles Mücken. 
Weitere Ziel-IAS für transgene Modifikationen sind Welse, Karpfen und die Pazifische Auster dabei spielt auch die CRISPR-Cas9 Technologie eine Rolle. 

Gegenüber dem Enthusiasmus über die Möglichkeiten der Anwendung von gentechnisch vermittelter Kontrolle invasiver Arten stehen jedoch auch Sorgen über potenzielle ungewollte Konsequenzen, z.B. Übertragung durch Kreuzung mit nativen Arten. Nicht zu vernachlässigen ist außerdem, dass jede invasive fremde Art irgendwo heimisch ist und so wie die Globalisierung für die Einfuhr dieser Arten verantwortlich ist, kann eine Rückkehr der gentechnisch veränderten Arten und somit die Ausrottung in den Ursprungsgebieten nicht ausgeschlossen werden. (persönliche Meinung der Autorin)

Zwei Beispiele nationaler Managementstrategien finden sich hier:
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Ein nationales Problem

(Soweit nicht gesondert gekennzeichnet entstammen die Informationen in diesem Kapiel den Informationsseiten des WWF und NABU zu invasiven Arten)

In Europa gibt es laut Schätzungen ca. 12000 gebietsfremde Arten, auf nationaler Ebene in Deutschland rund 3000. Nicht jede Art überlebt nach der Einschleppung in ein anderes Gebiet, tut sie das doch und etabliert sich, kann sie mit ihrer Ausbreitung andere Arten, Lebensräume oder Ökosysteme beeinträchtigen und so der biologischen Vielfalt schaden. Diese Arten werden invasiv genannt. In Europa gelten ca. 15% der gebietsfremden Arten als invasiv, in Deutschland sind es mindestens 168.
Um gegen die invasiven Arten vorzugehen, wurde die „Unionsliste“ erstellt. Diese steht jedoch stark in der Diskussion, da die aufgelisteten Arten nur einen Bruchteil der in der Europäischen Union vorkommenden invasiven Arten ausmachen. In der ersten Fassung der Liste von 2016 wurden nur 37 Arten beschrieben. Danach wurden immer wieder ein paar Arten hinzugefügt, bis sich nun seit 2019 66 Arten auf der Liste befinden. (EU-Durchführungsverordnung 2019/1262)

Im Folgenden werden einige für Deutschland relevante invasive Arten vorgestellt: 

Der Götterbaum (Ailanthus altissima): 
Ursprünglich stammt der Götterbaum (Bild) aus China, wurde aber im 18. Jahrhundert als Zierpflanze nach Europa und auch nach Deutschland eingeführt. Zuerst breitete er sich nur gemäßigt aus, nach dem 2. Weltkrieg verbreitete er sich jedoch als „Trümmerpflanze“ rasant und steht nun seit 2019 auf der Unionsliste für invasive Arten. Er gilt als der am schnellsten wachsende Baum Europas und kann im Jahr seiner Keimung bereits 1-2 Meter groß werden. Der Götterbaum ist sehr resistent gegen Trockenheit, Luftverunreinigungen, Herbizide und Salz und ist so sehr viel robuster als andere, einheimische Bäume. Dadurch kann er sich sehr weitflächig verbreiten und andere Arten verdrängen. Zudem sorgt der Götterbaum für einen Anstieg des Stickstoffgehalts im Boden und hemmt so andere Pflanzen an der Keimung. Er wird daher zu den hundert problematischsten invasiven Arten gezählt. Durch die Klimaerwärmung wird es zu einer noch weiteren Ausbreitung des Götterbaumes kommen.
In Deutschland wird er, abgesehen von der Honigherstellung, nicht als Nutzpflanze angesehen. In den USA, in Wien, sowie in seiner Heimat China wird der Götterbaum als Nahrung für den Ailanthus-Spinner genutzt, der eine haltbarere und günstigere Seide als der Seidenspinner (Bombyx Mori) produziert
(Oliver Noffke RBB24).
Bekämpft wird er durch das Herbizid Glyphosat, den Schlauchpilz Verticillium oder durch spezialisierte Rüsselkäfer (
AGIN).
 
Riesen-Bärenklau (Heracleum mantegazzianum):
Im 19. Jahrhundert wurde der Riesen-Bärenklau (Bild) bei einer Expedition der Botaniker Carlo Pietro Stefano Sommier und Émelie Levier in den Kaukasus, dem Heimatgebiet des Bärenklaus, das erste Mal beschrieben und danach als Zierpflanze in den Gärten in Europa angepflanzt. Im 20. Jahrhundert dann wurde dem Riesen-Bärenklau wirtschaftlicher Nutzen vor allem als Bienenweide nachgesagt. Zusätzlich pflanzten ihn viele Förster an, um dem Wild im Sommer mehr Deckung zu geben und weil man irrtümlich dachte, der Riesen-Bärenklau würde Böschungen befestigen.
Heute befindet er sich auf der schwarzen Liste der invasiven Neophyta der Schweiz und darf auch in Deutschland nicht ohne Genehmigung angepflanzt werden.
Der Riesen-Bärenklau hat unterschiedliche Strategien zur Ausbreitung. Zusätzlich zur Verbreitung der Samen durch den Wind, werden diese auch durch das Wasser und durch unbeabsichtigten Transport, zum Beispiel durch Fahrzeuge der Landwirtschaft verbreitet. Dadurch kann der Riesen-Bärenklau sehr schnell sehr große Flächen besiedeln.
Der Riesen-Bärenklau zeigt neben der Gefahr für die Gesundheit durch die bloße Berührung (Übertragung einer photosensiblen Substanz, die auf der Haut in Verbindung mit Tageslicht große Quaddeln und Blasen hervorruft) auch andere negative Eigenschaften. Zum Beispiel Erosionsgefahr, Sichtbehinderung an Straßenrändern sowie die Bedrohung von seltenen oder gefährdeten Pflanzen.
Jedoch ist der Schaden, den der Riesen-Bärenklau verursacht im Gegensatz zu anderen invasiven Arten eher gering, die Diskussion gegen ihn wird häufig von Emotionen geleitet, da er für den Mensch eine hohe gesundheitliche Gefahr birgt. Bekämpft wird er durch Herbizide, Beweidung oder häufiges Mähen (Gartentipps.com).

Chinesische Wollhandkrabbe (Eriocheir sinensis):
Wie der Name verrät, kommt die Chinesische Wollhandkrabbe (Bild) ursprünglich aus China und wurde Anfang des 20. Jahrhunderts vermutlich als Larven mit dem Ballastwasser von Handelsschiffen nach Europa eingeschleppt. Dort hat sie sich trotz Bekämpfung als Neozoon angesiedelt. Sie leben in größeren Flussläufen und ernähren sich dort von Schnecken, Muscheln, Fischen, Insektenlarven, Wasserpflanzen und Aas. Sie graben sich Wohnhöhlen im Uferbereich und wandern zur Paarungszeit flussabwärts zum Meer. Pro Weibchen wird eine sehr hohe Anzahl an Eiern abgelegt (25.000 bis 92.000) danach sterben die Weibchen.
Verbreitet sind sie nahezu in ganz Deutschland, aufgrund der klimatischen Bedingungen haben sie das Potenzial sich überall in Europa auszubreiten. Sie wurden mittlerweile auf nahezu allen Kontinenten nachgewiesen und sie werden weiterhin mit Handelsschiffen verbreitet. Das zunehmende Umweltbewusstsein, und die daraus folgende verbesserte Wasserqualität, fördert ihre Verbreitung noch mehr.
Anfangs vermutete man das die Wollhandkrabben in Nahrungskonkurrenz mit Nutzfischen treten würde, dies konnte jedoch nicht nachgewiesen werden. Die einzige Art, mit der die Chinesische Wollhandkrabbe nachweislich konkurriert ist der Kamberkrebs. Bei diesem handelt es sich jedoch ebenfalls um ein Neozoon. Vereinzelt können Ufergebiete aufgrund der Wohnhöhlen einstürzen. Zudem gilt sie als Überträger der Krebspest
(Bund für Naturschutz).
Bekämpft werden sie zum einen durch Fressfeinde, wie Aale, Barsche oder Graureiher, zum anderen durch spezielle Fangmaschinen oder per Hand.  
Verwertet werden sie dann wie in ihrem Heimatland China als Delikatesse, in der Chitosan-Herstellung (z.B. Nahtmaterial in der Medizin) und bei der Biogas-Produktion (Biologie Seite).  

Bisamratte (Ondatra zibethicus):
Die Bisamratte (Bild) kommt ursprünglich aus Nordamerika und wurde von einem Fürsten von einer Jagdreise nach Böhmen eingeführt. Von dort breitete sich die Bisamratte in Deutschland und anschließend in ganz Europa aus. Später wurden Bisamratten z.B. nach Übersee transportiert, weitere Aussetzungen führten dazu, dass sie auch Asien besiedelten. Diese weite Ausbreitung wurde durch ihre gute Anpassung, fehlende Fressfeinde, ihre hohe Fortpflanzungsrate, gute klimatische Bedingungen und ihre große Wanderlust begünstigt.
Die Bisamratte ist perfekt an das Leben im Wasser angepasst und gilt in vielen Ländern als wertvolles Nutz- und Zuchttier. Sie gräbt als Unterschlupf Erdbauten oder sogenannte „Bisamburgen“ aus Schilf und anderen Wasserpflanzen. Ihre Ernährung ist fast ausschließlich pflanzlich und eine Bisamratte wird im Schnitt nur drei Jahre alt.
Gejagt werden sie von Fischottern, Füchsen und Uhus besonders aber vom Mink, ebenfalls ein Neozoon.
Heute besteht kaum bis kein Interesse am Pelz des Bisams und manche Länder tolerieren oder schützen die Bisamratte sogar. Seit 2017 steht sie jedoch auf der „Unionsliste“ für invasive Arten.
Viele Invasionsbiologen sind der Ansicht, dass die Bisamratte eine freie oder freigewordene Nische besetzt hat und durch ihre Wühltätigkeit und das Nutzen von Röhricht für ihre Bauten die Biodiversität sogar fördert.
Jedoch gibt es auch ökologische Probleme, die die Bisamratte mit sich bringt. Neben den Fraßschäden die sie verursacht, ist sie auch ein Zwischenwirt für den Fuchsbandwurm. Das Fressen von Muscheln und Krebstieren wird ebenfalls kritisch betrachtet.
Bekämpft wird sie durch Bejagung und den Einsatz von Bakterien als Krankheitserregern (Ministerium für Umwelt, Natur und Forsten).
    
Mink oder Amerikanischer Nerz (Neovison vison):
Der Mink (Bild) ist ein Raubtier ursprünglich aus Nordamerika. In den 1950er Jahren sind einige Minks aus Pelzfarmen in Europa entlaufen oder wurden freigelassen und haben sich in Europa ausgebreitet 
(Paul Schöps: Die Anfänge der Pelztierzucht in Europa. In: Die Pelzwirtschaft Heft 1, Januar 1979).
Der Mink benötigt Wasser und ist so an Ufergebiete gebunden. Er lebt tagsüber versteckt in Höhlen und ernährt sich von Hasen, Mäusen, Fröschen, Krebsen und Bisamratten. Gelegentlich erbeuten sie auch Wasservögel und Fische.
Vielerorts haben sie den Europäischen Nerz schon komplett verdrängt, da der Mink deutlich größer und kräftiger ist. Auch auf einige andere Arten übt der Amerikanische Nerz einen starken selektiven Druck aus.
Im Oktober 2020 wurde durch die SARS-CoV-2 Pandemie das Auge der Öffentlichkeit wieder auf die Nerzfarmen, die bis heute existieren, gerichtet. Da die Tiere sich mit dem Virus infiziert hatten, wurden als Folge dessen Massentötungen durchgeführt.
Grundsätzlich wird der Nerz, obwohl er ein Neozoon ist, nicht bekämpft.

Maßnahmen der Europäische Union und Deutschlands gegen invasive Arten

Das Ziel der EU ist vornehmlich die Einfuhr zu Verhindern oder zumindest die Identifizierung invasiver Arten. Der Schaden soll dadurch minimiert werden. Durch die unterschiedlich starke Verbreitung der Arten in den Regionen der Mitgliedsländer ist es jedoch schwer, einheitliche Lösungen zu finden. Deshalb müssen von Region zu Region eigene Listen geführt und Regelungen getroffen werden. Gerade bei bereits weit verbreiteten Arten ist es wichtig, dass vor Ort Managementmaßnahmen entwickelt werden, ob und wie gegen die invasiven Arten vorgegangen wird. Zusätzlich ist auch die Nachsorge für das geschädigte Ökosystem wichtig.
In der Verordnung der EU ist zum Beispiel festgelegt, das invasive Arten in einem frühen Ausbreitungsstadium immer vollständig bekämpft werden sollen. Wenn jedoch die Art schon weit verbreitet ist, stellt sich das als meist unmöglich heraus. Deswegen müssen Managementmaßnahmen entwickelt werden, die weitere Schäden minimieren können.
Kommt es in einem Naturschutzgebiet zu einer Invasion, kann es sein, dass trotz des hohen Aufwandes die Bekämpfung bis zur vollständigen Ausrottung durchgeführt werden muss.
Als Unterstützung zur Entwicklung der Managementmaßnahmen wurde eine Sammlung erstellt, das „Management-Handbuch“ (Bundesamt für Naturschutz:
NaBiV Heft 141/1 und NaBiV Heft 141/2). Darin gibt es Empfehlungen für fachlich von 164 Experten geprüfte, artbezogene Maßnahmen gegen die bekannten invasiven Arten beziehungsweise potenziell invasive Arten. Von 3600 Maßnahmen wurden 1900 Maßnahmen als empfehlenswert eingestuft (Bundesamt für Naturschutz).

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Einordnung des Themas in die Bildungspläne von Baden-Württemberg

Das Thema „Invasive Arten“ lässt sich sowohl in den Bildungsplan der Grundschule als auch in die Bildungspläne der weiterführenden Schulen inklusive der Oberstufe einordnen. Je nachdem, wie ausführlich und detailreich das Thema im Unterricht behandelt wird, kann es für alle Altersgruppen ein interessantes Fachgebiet mit Bezug zur eigenen Lebenswelt darstellen. 
In der Grundschule kann das Thema im Zusammenhang mit "Tiere, Pflanzen und ihre Lebensräume" unter dem Aspekt der nachhaltigen Entwicklung bearbeitet werden. Dabei können die SuS ihr eigenes Verhalten reflektieren (z.B. im Umgang mit Haustieren und Wildtieren).
Im Unterrichtsplan der Unter- und Mittelstufe kann das Thema zunächst im Bereich Ökologie, später auch im Zusammenhang mit Genetik und Evolution besprochen werden. 
Im Folgenden ein Auszug aus dem Bildungsplan des Gymnasiums bzw. der Oberstufe an Gemeinschaftsschulen in Baden-Württemberg, welcher die Einordnung des Themas in den Biologie-Unterricht erlaubt:

“Aufbauend auf die Evolutionstheorie von Darwin können die Schülerinnen und Schüler die Artbildung und die Entstehung von Angepasstheiten mithilfe der synthetischen Evolutionstheorie erklären. Sie verstehen die Biodiversität als genetische Vielfalt, Artenvielfalt und Vielfalt an Ökosystemen. Dabei wird ihnen die Bedeutung der Biodiversität und die besondere Verantwortung des Menschen für deren Erhaltung bewusst.” (3.4.6. Evolution und Genetik)

Die SuS lernen stammesgeschichtliche Verwandtschaften und Stammbäume kennen. Außerdem den Einfluss der Evolutionsfaktoren (Mutation, Rekombination, Selektion und Isolation) auf den Genpool und die Artbildung nach der synthetischen Evolutionstheorie.
Auch die Artbildung und die Entstehung von Angepasstheiten im Sinne der synthetischen Evolutionstheorie wird in diesem Bereich thematisiert. Des Weiteren wird die Biodiversität auf verschiedenen Ebenen als genetische Vielfalt, Artenvielfalt und Vielfalt an Ökosystemen erläutert. Zuletzt geht es auch stark um die Verantwortung des Menschen zur Erhaltung der Biodiversität und die Notwendigkeit einer nachhaltigen Entwicklung. (zum Beispiel Bevölkerungswachstum, ökologischer Fußabdruck, nachwachsende Rohstoffe)
Auch liefert das Thema Neobiota/Invasive Arten einen Beitrag zur Implementierung der Leitperspektiven in den Biologieunterricht. Insbesondere Bildung für nachhaltige Entwicklung, Medienbildung sowie Verbraucherbildung werden abgedeckt.

Die Einordnung in die Basiskompetenzbereiche des Faches Biologie ist insbesondere für die Bereiche System und Entwicklung sehr gut möglich.

System: In der modernen Biologie wird die lebendige Natur systemisch betrachtet als sogenannte „Wissenschaft von den Biosystemen“. Zu den Biosystemen gehören Zelle, Organismus, Ökosystem und Biosphäre. Hier unterscheidet man zwischen mehreren Ebenen. Die Elemente in den Biosystemen stehen miteinander in Wechselbeziehungen und sind abhängig voneinander. Auch die speziellen Eigenschaften von Biosystemen, wie zum Beispiel Stoff- und Energieumwandlungen, Steuerung und Regelung, Informationsverarbeitung, ... stehen in Wechselwirklungen zu dem jeweiligen Ökosystem und ergänzen so insgesamt die Struktur und Funktion. 

Entwicklung: In diesem Basiskonzept wird zwischen der Individualentwicklung und der evolutionären Entwicklung unterschieden. Nicht nur Zellen und Organismen verändern sich artspezifisch mit der Zeit, auch Ökosysteme entwickeln sich im Laufe der Zeit und verändern so die Biosphäre. Die Individualentwicklung von Arten und Ökosysteme wird grundlegend durch genetische Anlagen und Umwelteinflüsse gesteuert. Diese Form der Entwicklung, die letztendlich also die gesamte biologische Vielfalt ausmacht, erkennt man auch gut in der Abbildung, in der die Elemente der Biodiversität in einem Dreieck dargestellt sind.

Die Entwicklung der Biosphäre und die Verantwortung der Menschen über die Ökosysteme wird als Unterrichtsmaterial im ersten Material für die Grundschule vorgestellt, indem es um die Vögel in Neuseeland (interner Link) geht.

Durch die Basiskonzepte wird der naturwissenschaftliche Unterricht sinnvoll in fachliche Inhalte unterteilt und strukturiert. Die SuS lernen so komplexe biologische Themen kennen und können diese miteinander in Zusammenhang bringen. Sie verstehen, dass die Naturwissenschaft einer permanenten dynamischen Entwicklung unterliegt und auf sämtlichen Ebenen miteinander verknüpft ist.
Das Grundziel ist es, den SuS ein ganzheitliches Verständnis für biologische Sachverhalte zu vermitteln. So können sie im naturwissenschaftlichen Unterricht, beispielsweise bei der Bearbeitung von Aufgaben unterschiedliche Systemebenen verwenden und verschiedene ‚Perspektiven zu einem Thema einnehmen. Diese sogenannten „horizontalen und vertikalen Perspektivwechsel“ führen zu einer Vernetzung des Wissens und fördern das multiperspektivische Denken.
Etwa ab der 10. Klasse besitzen die SuS ein konzeptstrukturiertes naturwissenschaftliches Grundwissen und können dadurch vielfältige biologische Anwendungen und Schlussfolgerungen beurteilen. So können beispielsweise Bereiche wie Umwelt- und Naturschutz, Nachhaltigkeit, Biotechnologie oder auch Medizin, unter Berücksichtigung mehrerer Aspekte und Ebenen, im Unterricht thematisiert und untersucht werden. Durch dieses Grundverständnis können SuS zum Beispiel auch aktiv an gesellschaftlichen Diskussionen teilhaben und von verschiedenen Blickwinkeln und Perspektiven aus argumentieren (siehe z.B.  „Stationenlauf“).
 
Das Zusammenspiel dieser zwei Basiskonzepte bildet also eine wichtige Grundlage und lädt jetzt dazu ein, genauer auf das Thema „Invasive Arten“ im Biologieunterricht zurückzukommen.    

Unterrichtsthema „Invasive Arten“

Für das Unterrichtsthema „Invasive Arten“ eignen sich hervorragend Exkursionen (Bild) und Beobachtungen in der Natur, da die SuS so Ökosysteme selbständig entdecken und erkunden können. Dadurch lernen sie bestimmte Lebensräume kennen und können die Vielfalt der Lebewesen dort systematisch einordnen und entsprechende Daten erfassen. Anhand der systematischen Einordnungen ist es den SuS dann möglich, Ordnungskriterien abzuleiten und beispielsweise Nomenklaturen anzuwenden. Auch morphologisch-anatomische Betrachtungen von Lebewesen helfen dabei, Abwandlungen im Grundbauplan von Organismen zu verstehen. Des Weiteren können die SuS durch beispielsweise molekularbiologische Untersuchungen Verwandtschaften zwischen Lebewesen herausfinden und so die Vielfalt und Variabilität in Ökosystemen begreifen (siehe: Exkursionen)

Die SUS lernen durch Nahrungsketten die Wechselwirkungen zwischen Lebewesen innerhalb eines Ökosystems kennen und können optimalerweise durch ihr Vorwissen im Bereich Photosynthese und Zellatmung verstehen, wie die Energieumwandlung in einem Ökosystem abläuft. Außerdem lernen sie in diesem Bereich, welche Faktoren zur Stabilisierung eines Ökosystems beitragen und welche Folgen im Ökosystem entstehen können, wenn bestimmte Faktoren beeinträchtigt werden oder sogar fehlen. Beispielsweise das Aussterben von bestimmten Lebewesen als mögliche Folge, wenn fremde Arten in einen Lebensraum eindringen. Auch die Vielfalt und das Zusammenspiel von Lebewesen wird in Bezug auf das Themengebiet „Evolution“ angesprochen. Hierzu gehören auch stammesgeschichtliche Betrachtungen, um die evolutionäre Anpassung an Ökosysteme und Biosphären zu verstehen. In diesem Zusammenhang können auch historische und moderne Evolutionstheorien interpretiert und miteinander verglichen werden. Nicht zuletzt lässt sich bei diesem Thema auch gut eine Einordung über den Lebensraum des Menschen durchführen, indem darauf Bezug genommen wird, wie der Mensch im Laufe der Evolution in Ökosysteme eingedrungen ist und welche Folgen daraus entstanden sind.  

Unterrichtsmaterial

Im folgenden Teil des Blogbeitrags werden ein paar Ideen für die Umsetzung des Themas Neobiota im Biologieunterricht vorgestellt. Dabei ist das Material grob in drei Altersgruppen aufgeteilt: Grundschule, Unter-/Mittelstufe und Oberstufe. Des Weiteren wird kurz auf Sonderpädagogische Bildungs- und Beratungszentren (SBBZ) mit Förderschwerpunkt geistige Entwicklung eingegangen.
Die dargestellten Vorschläge stellen nur einen kleinen Auszug aus einem großen Fundus an Material (siehe Anhang) dar.
Für alle Klassenstufen bieten sich Exkursion in die Natur an, um Fremde Arten zu thematisieren. Dabei kann schon der Schulhof ein lohnendes Ziel sein, aber auch ein naher Tümpel, die Uferregion eines Baches oder eine Wildwiese. Je nach Klassenstufe kann der Komplexitätsgrad der Aufgaben variiert werden. Insbesondere in den höheren Jahrgangsstufen (9-12/13 Klasse) ist eine intensive Vorbereitung des Themas notwendig.
Dabei ist es für alle Klassenstufen wichtig darauf zu achten das alle SuS wissen wie man mit den Pflanzen, bzw. Tieren und den Arbeitsmaterialien umgeht.
Thema könnte z.B. die Erstellung eines Vegetationsprofils sein, welche heimische Pflanzen treten mit welchen Neophyten gemeinsam auf? Passendes Bestimmungsmaterial findet sich im Internet z.B. Bestimmungshilfe.

Grundschule (Klasse 2 bis 4)

Der erste Ansatz sollte über die Vermeidung der Ausbreitung fremder Arten gehen, weniger um die Bekämpfung insbesondere beim Themenfeld Säugetiere.
Am Anfang des Schuljahres müssen die SuS der Grundschule auf verschiedene Gefahren hingewiesen werden. Darunter auch über die Gefahren von Riesenbärenklau und Ambrosia (Es kann zum Beispiel ein kurzes Video gezeigt werden oder auch ein Artikel aus dem Internet, den die Schüler gemeinsam lesen können). Daraus lässt sich gut ein Einstieg zu einer Unterrichtseinheit über Neobiota gestalten. 
Es bietet sich auch an zwei Tiere, wie z.B. den Waschbär und den asiatischen Marienkäfer (Bild links), vorzustellen und sich mit den SuS zu erarbeiten wo diese herkommen, wie und wieso sie nach Deutschland gekommen sind, ob sie in Konkurrenz zu bereits bekannten einheimisches Tieren stehen. 

Als weiteres Einstiegsbeispiel kann Neuseeland genommen werden, da es dort ursprünglich viele flugunfähige Vögel gab und keine Prädatoren, so dass diese Vögel keinen Fluchtinstinkt besitzen. Die Menschen, die sich in Neuseeland niederließen, jagten die Vögel und schleppten Tiere wie Wiesel und Ratten ein, für die diese Vögel eine leichte Beute darstellen. Hier kann besprochen werden wie es dazu kam, dass viele der einheimischen Vögel, wie z.B. der Kiwi (Bild rechts) das Wahrzeichen Neuseelands, nun (fast) ausgerottet sind oder zu den gefährdeten Arten gehören. Was passiert, wenn sich die Menschen zu sehr in die Naturkreisläufe einmischen? Könnte so etwas in Deutschland auch passieren, wenn zum Beispiel zu viele Katzen ausgesetzt werden? 

In der Grundschule ist ein weiteres wichtiges Thema des Sachkundeunterrichts der Themenbereich „Wasser“. Hier kann auch das Thema der Neobiota angeschlossen werden. Das Wasser ist nicht nur für Menschen überlebenswichtig, sondern auch für Tiere und Pflanzen.

In dem kurzen Clip der Tagesschau (20.05.2021) ist zu sehen wie sich Wasserlinsen über einen ganzen See so stark verbreitet haben, dass nun Menschen mit Baggern, Eimern und Sieben probieren diese aus dem See zu entfernen, um ihn als Lebensgrundlage zu erhalten. Die Wasserlinse war dort ursprünglich nicht heimisch.
Für Grundschüler/innen ist dies ein guter Übergang, um zu verdeutlichen was invasiv bedeutet und wie invasive Pflanzen unser Ökosystem und unsere Lebensgrundlage, das Wasser, in Anspruch nehmen.
Auch bei älteren SuS, der höheren Klassen, kann dieses Beispiel gezeigt werden, da in diesem Fall auch der Mensch an der starken Verbreitung der Wasserlinsen beteiligt war. Den Wasserlinsen wurde durch falsch abgeleitetes Abwasser eine perfekte Lebensgrundlage geschaffen.

Unterstufe/Mittelstufe (Klasse 5 bis 9)

Mit älteren SuS bietet es sich z.B. an einen Stationenlauf zu gestalten, bei dem sich die SuS größtenteils selbstständig oder in Partnerarbeit mit dem Thema auseinandersetzen. An jeder Station befinden sich verschiedene Informationsmaterialien und Aufgaben, die von den SuS durchgearbeitet werden sollen.

Mögliche Stationen wären zum Beispiel:

  • Was ist eine biologische Invasion?

  • Wo gibt es biologische Invasionen?

  • Wie verlaufen biologische Invasionen ab? – Transportwege?

  • Alles (k)ein Problem?

  • Was tun?

Im Folgenden sind Beispiele für Aufgaben, die die SuS während des Stationenlaufs bearbeiten können, gezeigt. (Die Beispiele sind z.T. Ausschnitte aus Arbeitsmaterial des Naturkundemuseums Potsdam: In der Spur des Menschen)

  • Wo gibt es biologische Invasionen?

  • Wie verlaufen biologische Invasionen? – Transportwege?

Die SuS können sich eine fremde Spezies heraussuchen und die Verbreitung dieses Tieres oder dieser Pflanze genauer betrachten und in einer Weltkarte die Verbreitung und den Verbreitungsweg farbig unterschiedlich einzeichnen. Auch kann im weiteren Verlauf die Verbreitung weiterverfolgt werden, indem je ein Neobiota für ein Kontinent ausgesucht und in die folgende Tabelle eingetragen wird.

  • Was kann man tun?

Die SuS sollen sich mit den unterschiedlichen Bekämpfungsmöglichkeiten gegen Neobiota auseinandersetzen. 

Oberstufe (Klasse 9-13)

  •  Bestimmung verwandter Arten am Beispiel Staudenknöteriche

Die SuS können z.B. selbst Pflanzenmaterial mitbringen, es wird von der Lehrperson gestellt oder in eine Exkursion integriert. Dieses und das folgende Beispiel entstammen aus KORINA Invasive Neophyten Jahrgangsstufe 9-12.

  • Wachstumsversuche

An den mitgebrachten Staudenknöterich Proben kann z.B. getestet werden, wie lange ein Staudenknöterich braucht, um wieder zu wurzeln oder wie schnell aus einer Wurzel wieder eine Pflanze wächst. Es können unterschiedliche Nährstoffkonzentrationen, Wassermengen, wenig oder viel Sonnenlicht oder in Erde gepflanzt bzw. Hydrokultur ausprobiert werden. Dies soll den SuS verständlich machen, wieso sich Neophyten teilweise so schnell und invasiv ausbreiten können. 

  • Gesellschaftliche und ethische Betrachtung

Das Thema Invasive Arten bietet vielfältige Möglichkeiten ein aktuelles biologisches Thema gesellschaftspolitisch, bzw. unter ethischen Aspekten zu betrachten. Hier ein paar Anregungen:

  1. Ist eine "fremde" Natur nicht besser als keine Natur?
  2. Darf die Menschheit, die selbst den invasivsten Einfluss auf die Natur hat, überhaupt über andere Lebewesen richten?
  3. Ist es erlaubt eine invasive Spezies auszurotten, um andere Arten zu retten, sind manche Arten mehr wert als andere?
  4. Ist es ethisch vertretbar genetisch einen Todesfaktor einzubauen (siehe: Instrumente zur Regulation und dem Management)
SSBZ mit Schwerpunkt geistige Entwicklung

Da es in den Klassen für SuS mit einer geistigen Behinderung eine hohe Individualität im Leistungsvermögen der einzelnen SuS gibt, ist es hier eher schwer ein allgemeines Unterrichtsmaterial vorzustellen. Jede/r Schüler/in muss sehr individuell gefördert werden und je nach SuS kann Material aus allen Schularten und Klassenstufen benutzt werden.  

Im Allgemeinen sollte das Thema der Neobiota hier jedoch von einem einfacheren Standpunkt aufgenommen werden ähnlich wie bei Grundschulkindern. Zum Beispiel geht man davon aus was passieren kann, wenn Menschen ihre Haustiere aussetzen. Es können zwei Tiere verglichen werden wie zum Beispiel die Katze (als Haustier) und der Waschbär (als wildlebendes Tier). Was sind ihre Unterschiede? Schädlichkeit für die Umwelt, Ausbreitung, Nahrung,… Es kann eine Art Steckbrief zu beiden Tieren erstellt werden mit wenigen knappen Informationen. Danach wird besprochen was passiert, wenn eine Katze von zu Hause wegläuft. Wo bekommt sie ihre Nahrung her? Was passiert, wenn sie Babys bekommt? Wird sie dadurch anderen Tieren schaden?

Für ein besseres Verständnis der SuS können als Hilfsmittel Metacom Karten benutzt werden. Metacom ist ein Symbolsystem zur Unterstützten Kommunikation und ist mit seinen vereinfachten Symbolen optimal geeignet verschiedene Themen aufzugreifen und darzustellen. Unter anderem gibt es vielerlei Symbole für verschiedene Tierarten. 

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Weitere Quellen mit Informationen und Materialien zur Unterrichtsgestaltung

Didaktischer Leitfaden über invasive Arten (aus der Schweiz):  

Koordinationsstelle invasive Neophyten in Schutzgebieten Sachsen-Anhalts:

Methodenheft 5. bis 9. Klasse

Methodenheft 9-12

Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Nukleare Sicherheit:

Grundschule: 
Sekundarstufe: 

Umweltbildungszentrum (UBZ) Steiermark: 

Ludwig Maximilians Universität München:

https://www.bio.lmu.de/studium/lehrerbildung_lmu/ideenfinder/invasive-arten/index.html

Bild und Informationsquellen

Alle Internetquellen gültig zum 02.07.2021

Bildquellen nach Erscheinen:

Bilder, die nicht mit einem Link versehen sind, entstammen Creative Commons Lizenzen ohne Zitierpflicht

Streifenhörnchen:This image was originally posted to Flickr by Frank.Vassen at https://www.flickr.com/photos/42244964@N03/4872136297.

Bemisia tabaci: http://www.scienceimage.csiro.au/image/1357

Flechte: https://www.umweltbundesamt.de/themen/nachhaltigkeit-strategien-internationales/antarktis/die-antarktis/die-flora-der-antarktis

Meerwalnus: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Meerwalnuss5.jpg

Götterbaum: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:G%C3%B6tterbaum_2011_Ailanthus_altissima_MA.JPG

Riesenbärenklau: https://pixabay.com/de/photos/b%C3%A4renklau-blume-blumen-natur-3511352/

Wollhandkrabbe: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:EriocheirSinensis5.jpg

Bisamratte: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Verbreitungsgebiet_Bisamratten.jpg

Mink: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Kunawodna3.JPG

Diversitätsdreieck: https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Elements-of-biodiversity.png

Ekursionsbild: https://gym-pw.de/leben/fahrten/exkursionen/%20

Informationsquellen nach Erscheinen:

Blackburn et al., 2019: Alien versus native species as drivers of recent extinctions doi.org/10.1111/brv.12627

Tabelle Definition: https://www.umwelt-im-unterricht.de/fileadmin/user_upload/2017_TdW_KW_22/uebersicht_bfn_flora_fauna_einheimische_und_gebietsfremde_arten.pdf

Pysek et al. 2020: Scientists' warning on invasive alien species doi.org/10.1002/fee.2020

Roques, 2009: Species Accounts of 100 of the Most Invasive Alien Species in Europe, Handbook of Alien Species in Europe, Springer Series in Invasion Ecology

Datenblatt Bemisia tabaci: https://pflanzengesundheit.julius-kuehn.de/bemisia-tabaci.html

Seebens et al., 2020: Projecting the continental accumulation of alien species through to 2050 doi.org/10.1111/gcb.15333

Antarktis aus Rößiger, 2020: https://www.spektrum.de/news/menschen-schleppen-invasive-arten-in-die-antarktis-ein/1718546

Doherty et al., 2016: Invasive predators and global biodiversity loss doi.org/10.1073/pnas.1602480113

Landesbetrieb Hessisches Landeslabor: https://lhl.hessen.de/veterin%C3%A4rmedizin/spulwurmbefall-baylisascaris-procyonis-beim-waschb%C3%A4r-hessen

Citizen Science Projects on IAS: https://easin.jrc.ec.europa.eu/easin/CitizenScience/Projects

Spektrum Video: Gene zum Schweigen gebracht: https://www.youtube.com/watch?v=cL-IZnpY6Qg

Neuseeland threatened species strategy: https://www.doc.govt.nz/contentassets/97142dceee6b4f0e95a625ab4fa58dfc/threatened-species-strategy-draft.pdf

Australien threatened species strategy: https://www.environment.gov.au/biodiversity/threatened/publications/strategy-home

Info Seite WWF: https://www.wwf.de/themen-projekte/biologische-vielfalt/invasive-arten-gefahren-der-biologischen-einwanderung

Info Seite NABU: https://www.nabu.de/tiere-und-pflanzen/artenschutz/invasive-arten/unionsliste.html

AGIN: https://www.dora.lib4ri.ch/wsl/islandora/object/wsl%3A24686/datastream/PDF/Knüsel-2020-Der_Götterbaum_in_der_Schweiz.-%28published_version%29.pdf

Gartentipps.com: https://www.gartentipps.com/riesen-baerenklau-erkennen-und-bekaempfen-so-schuetzen-sie-sich-vor-der-giftigen-pflanze.html

Bund für Naturschutz: neobiota.bfn.de

Biologie Seite: https://www.biologie-seite.de/Biologie/Chinesische_Wollhandkrabbe

Anfrage zur Bisamratte: https://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/QQD14-2614.pdf#page=2

Bundesamt für Naturschutz zum Management Handbuch: https://www.bfn.de/fileadmin/BfN/presse/2016/barrierefrei_Hintergrundinformation_Management-Handbuch_gebietsfremde_Arten_Jessel_barrierefrei.pdf

Bildungspläne Baden Württemberg 2016: https://www.bildungsplaene-bw.de/,Lde/Startseite

Bestimmungshilfe: https://www.globe-swiss.ch/files/Downloads/160/Download/Bestimmungshilfe%20Invasive%20Neophyten.pdf

WELT Nachrichtensender Bärenklau: https://www.youtube.com/watch?v=lqeSnXxmlIU

Kieler Nachrichten Bärenklau: https://www.kn-online.de/Nachrichten/Schleswig-Holstein/Schoen-und-gefaehrlich-Warnung-vor-dem-Riesenbaerenklau 

Tagesschau Titicacasee: https://www.instagram.com/p/CPGitY9pStx/?utm_medium=copy_link

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