Verdrängung einheimischer Tier- und Pflanzenarten durch wissentlich und unwissentlich eingeschleppte Tiere und Pflanzen
Wie stellt man sich einen Alien vor, grün mit Tentakeln, Antennen auf dem Kopf?
Dieser Blog soll die Bedeutung dieses Problems weltweit und speziell in Europa und Deutschland darstellen. Welche Möglichkeiten zur Bekämpfung von IAS bestehen und wie man die Bevölkerung für den Schaden durch IAS sensibilisieren kann. Hier spielt Aufklärung, insbesondere von Schülern und Schülerinnen (SuS) aller Altersklassen eine besondere Rolle. Zudem wollen wir zeigen, dass dieses Thema nicht nur allgemein sehr wichtig ist, sondern auch sehr gut in die Curricula für den Biologieunterricht in allen Schulformen passt.
Inhaltsverzeichnis
Definition
Ein globales Problem
Ein nationales Problem
Einordnung in die Bildungspläne von Baden-Württemberg
Unterrichtsmaterial
Quellen weiteres Unterrichtsmaterial
Bild- und Informationsquellen
Pdf Version ohne funktionierende Links zu Originalquellen
Definition
Einen sehr guten Überblick bietet die tabellarische Übersicht des Bundesamts für Naturschutz.
Ein globales Problem
(Soweit nicht gesondert gekennzeichnet entstammen alle Informationen und Abbildungen dieses Kapitels dem Review von Pysek et al. 2020: Scientists' warning on invasive alien species)
Stand der Dinge
Die folgende Abbildung zeigt Hotspots und Coldspots der etablierten Alien Spezies aus den Bereichen Pflanzen, Ameisen, Spinnen, Süßwasserfische, Amphibien, Vögel und Säugetiere. Dabei zeigt sich, dass Inseln sowie Küstenregionen Hotspots für das Auftreten von IAS sind. Des Weiteren gibt es eine Korrelation zwischen Anzahl IAS und Bruttonationaleinkommen. Faktoren sind hier Handel, stärkere Urbanisierung und dadurch Bildung von Mikro-Nischen, Tourismus sowie Ziergartenbau und "Haus"-'Tierhandel. Geografisch gesehen sind insbesondere gemäßigte und mediterrane Klimazonen stärker betroffen als trockene und heiße Klimate.
Die meisten invasiven Pflanzenarten in Südafrika, Indien, Kalifornien, Florida, Cuba, Queensland (Australien) und Japan.
Einfuhrwege
- Wissentliches Freisetzen (z.B. Jagd, Fischerei, Haustiere)
- Ausbruch (botanische-, zoologische Gärten, Haustiere)
- Kontaminationen („Unkrautsamen“, Schadinsekten, Pathogene)
- Blinde Passagiere (auf Schiffsrümpfen-Biofouling, Ballastwasser, latente Pathogene in Pflanzen)
- Anthropogene Korridore (z.B. Suez-/Panamakanal)
- Einwanderung von besetzten Gebieten
Die Liste zeigt, dass das Problem häufig selbstgemacht ist, da Vertebraten und Pflanzen meist gewollt eingeführt wurden. Ein paar Beispiele:
- Der Nilbarsch im Victoria See- Kaninchen in Australien
- Sika Hirsche in z.B. Neuseeland, Südafrika, Australien und Europa (Bild links)
- Robinien in Neuseeland, Afrika, Asien, Australien und Europa
Der Einfuhrweg von Invertebraten, Algen, Pilzen erfolgt dementgegen meist ungewollt als Kontaminationen.
Zu den neueren Problemen gehört die Umsiedlung von gefährdetet Arten, um sie vor den Folgen des Klimawandels zu schützen, da auch dies ein Eingriff in die existierenden Biozönosen darstellt und zu invasiven Verhalten führen kann.
Weiterhin stellen der Zierpflanzenhandel und der wachsende Onlinehandel mit ungewöhnlichen Haustieren einen neuen Zugang für potenzielle invasive Arten dar. Allein in Europa gibt es 54 Mio. Ziervögel, 28 Mio. Kleinsäuger, 14 Mio. Aquarienfische sowie 9 Mio. Reptilien. Neben der Gefahr durch die Haustiere selbst, können Wildfänge auch als Vektoren für Tier- und Humanpathogene dienen.
Kanäle verbinden einst getrennte biogeografische Regionen und ermöglichen die Verbreitung von invasiven Arten. Man geht davon aus, dass 54% (307) der fremden Arten im Mittelmeer über den Suezkanal eingetragen wurden. (Galil et al. 2009: Alien Marine Biota of Europe, in Handbook of Alien Species in Europe). Trotzdem werden weitere Kanäle geplant wie z.B. der umstrittene Nicaragua Kanal.
Das Abschmelzen des arktischen Eises durch den Klimawandel sorgt für eine weitere Verbindung zwischen Atlantik und Pazifik. Dadurch wird nicht nur natürliche Migration zwischen den Ozeanen möglich, dies führt auch zu einem vermehrten Schiffsverkehr, z.B. durch Forschungsreisen aber auch Handel und Tourismus und den damit verbundenen Einführungswegen von fremden Spezies.
Einflussfaktoren
Auch der Klimawandel spielt hier eine Rolle. Zwei Beispiele aus dem Reich der Insekten sollen hier genannt sein:
Dynamik
Invasion in geschützte Gebiete
13% der Landfläche sowie 7% der Weltmeere sind geschützte Gebiete, die speziell empfindlich gegenüber Invasionen durch fremde Spezies sind. 2007 identifizierte ein weltweites Programm (global invasive species program, GISP) 487 Naturschutzgebiete, in denen invasive Pflanzen die Biodiversität bedrohen.
Erste Beispiele von invasiven Arten in der Antarktis sind z.B.:
- die lokalen Populationen von Fliegen die sich von den Forschungsstationen auf King George Island (South Shetland Island) ausgebreitet haben.
- die Anwesenheit des Einjährigen Rispengrases Poa annua in der Nähe der Schifffahrtsrouten, welche mit einer statistisch signifikanten Abnahme der beiden nativen Blühpflanzen einhergeht.
Einflüsse auf die Umwelt
IAS können- die Ausrottungsgefahr für native Arten erhöhen
- die genetische Komposition der nativen Population verändern
- Nährstoff-Abfallkreisläufe beeinflussen
- die Hydrologie verändern
Noch vor Jagen, Sammeln und Landwirtschaft stellen IAS die Hauptursache für die Ausrottung von 261 aus 782 Tierarten und 39 von 153 Pflanzenarten dar. Dabei spielen Prädatoren eine größere Rolle als Konkurrenten.
Die folgende Abbildung (aus Doherty et al., 2016: Invasive predators and global biodiversity loss) zeigt die Anzahl gefährdeter (grau) und ausgerotteter (rot) Vögel (B), Säugetiere (M) sowie Reptilien (R) durch invasive Prädatoren. Die Prädatoren sind von links nach rechts: Katze, Nager, Hund, Schwein, indischer Mungo, Rotfuchs und Wiesel.
Einfluss auf das Wohlergehen der Menschen
Eine als Meerwalnus (Bild) bekannte Rippenqualle aus dem Nordatlantik brachte den Sardellenfischfang im Schwarzen Meer zum Erliegen, da sie sich vom gleichen Plankton wie die Sardellen ernährt.
Tamariskensträucher zerstörten Agrarflächen im Südwesten der USA so grundsätzlich, dass sie nicht mehr für die Landwirtschaft zur Verfügung standen.
Der giftige Gestreifte Korallenwels (Plotosus lineatus) sorgt für Verletzungen von Fischern im östlichen Mittelmeer.
Auch Humanpathogene können durch IAS übertragen werden z.B. können Waschbären den Spulwurm Baylisascaris procyonis übertragen. Die aufgenommen Eier schlüpfen im Darm des Fehlwirtes Mensch und können den Darm dann durch die Darmwand verlassen und sich in verschiedenen Geweben niederlassen. (Landesbetrieb Hessisches Landeslabor: Spulwurmbefall in Hessen)
Instrumente zur Regulation und dem Management
- Identifizierung von IAS und ihre Risikobeurteilung z.B. EICAT (Environmental Impact Classification for Alien Taxa).
- Priorisierung von Maßnahmen zur Verhinderung der Einfuhr von IAS
- Zeitnahes Management von neuen EinfällenEffektives Management der vorhandenen, etablierten IAS
Viele Länder haben Listen Invasiver Arten erstellt und den Import verboten.
Zur Überwachung und Monitoring können Freiwillige aus der Bevölkerung eine große Hilfe sein und neben den wertvollen Daten hat der Prozess der Sensibilisierung der Bevölkerung einen Einfluss auf die Akzeptanz der Maßnahmen für die Biosicherheit. Auf der Homepage des European Alien Species Information Network gibt es eine Übersicht über Bürgerprojekte (Citizen Science Projects on IAS) die nach Ländern sortiert abgerufen werden können. Darunter Projekte zur Beobachtung von z.B. Schmetterlingen, Mücken sowie verschiedene Apps zur Bestimmung und Verortung unterschiedlichster Arten.
Es gibt vermehrt auch Forschungsansätze zur Anwendung von molekulargenetischen Methoden, hierbei tritt jedoch immer das Problem der Akzeptanz gentechnisch veränderter Organismen auf. Beispiele:
Gegenüber dem Enthusiasmus über die Möglichkeiten der Anwendung von gentechnisch vermittelter Kontrolle invasiver Arten stehen jedoch auch Sorgen über potenzielle ungewollte Konsequenzen, z.B. Übertragung durch Kreuzung mit nativen Arten. Nicht zu vernachlässigen ist außerdem, dass jede invasive fremde Art irgendwo heimisch ist und so wie die Globalisierung für die Einfuhr dieser Arten verantwortlich ist, kann eine Rückkehr der gentechnisch veränderten Arten und somit die Ausrottung in den Ursprungsgebieten nicht ausgeschlossen werden. (persönliche Meinung der Autorin)
Ein nationales Problem
(Soweit nicht gesondert gekennzeichnet entstammen die Informationen in diesem Kapiel den Informationsseiten des WWF und NABU zu invasiven Arten)
In Europa gibt es laut Schätzungen ca. 12000 gebietsfremde Arten, auf nationaler Ebene in Deutschland rund 3000. Nicht jede Art überlebt nach der Einschleppung in ein anderes Gebiet, tut sie das doch und etabliert sich, kann sie mit ihrer Ausbreitung andere Arten, Lebensräume oder Ökosysteme beeinträchtigen und so der biologischen Vielfalt schaden. Diese Arten werden invasiv genannt. In Europa gelten ca. 15% der gebietsfremden Arten als invasiv, in Deutschland sind es mindestens 168.
Um gegen die invasiven Arten vorzugehen, wurde die „Unionsliste“ erstellt. Diese steht jedoch stark in der Diskussion, da die aufgelisteten Arten nur einen Bruchteil der in der Europäischen Union vorkommenden invasiven Arten ausmachen. In der ersten Fassung der Liste von 2016 wurden nur 37 Arten beschrieben. Danach wurden immer wieder ein paar Arten hinzugefügt, bis sich nun seit 2019 66 Arten auf der Liste befinden. (EU-Durchführungsverordnung 2019/1262)
Im Folgenden werden einige für Deutschland relevante invasive Arten vorgestellt:
In Deutschland wird er, abgesehen von der Honigherstellung, nicht als Nutzpflanze angesehen. In den USA, in Wien, sowie in seiner Heimat China wird der Götterbaum als Nahrung für den Ailanthus-Spinner genutzt, der eine haltbarere und günstigere Seide als der Seidenspinner (Bombyx Mori) produziert (Oliver Noffke RBB24).
Bekämpft wird er durch das Herbizid Glyphosat, den Schlauchpilz Verticillium oder durch spezialisierte Rüsselkäfer (AGIN).
Heute befindet er sich auf der schwarzen Liste der invasiven Neophyta der Schweiz und darf auch in Deutschland nicht ohne Genehmigung angepflanzt werden.
Der Riesen-Bärenklau hat unterschiedliche Strategien zur Ausbreitung. Zusätzlich zur Verbreitung der Samen durch den Wind, werden diese auch durch das Wasser und durch unbeabsichtigten Transport, zum Beispiel durch Fahrzeuge der Landwirtschaft verbreitet. Dadurch kann der Riesen-Bärenklau sehr schnell sehr große Flächen besiedeln.
Der Riesen-Bärenklau zeigt neben der Gefahr für die Gesundheit durch die bloße Berührung (Übertragung einer photosensiblen Substanz, die auf der Haut in Verbindung mit Tageslicht große Quaddeln und Blasen hervorruft) auch andere negative Eigenschaften. Zum Beispiel Erosionsgefahr, Sichtbehinderung an Straßenrändern sowie die Bedrohung von seltenen oder gefährdeten Pflanzen.
Jedoch ist der Schaden, den der Riesen-Bärenklau verursacht im Gegensatz zu anderen invasiven Arten eher gering, die Diskussion gegen ihn wird häufig von Emotionen geleitet, da er für den Mensch eine hohe gesundheitliche Gefahr birgt. Bekämpft wird er durch Herbizide, Beweidung oder häufiges Mähen (Gartentipps.com).
Verbreitet sind sie nahezu in ganz Deutschland, aufgrund der klimatischen Bedingungen haben sie das Potenzial sich überall in Europa auszubreiten. Sie wurden mittlerweile auf nahezu allen Kontinenten nachgewiesen und sie werden weiterhin mit Handelsschiffen verbreitet. Das zunehmende Umweltbewusstsein, und die daraus folgende verbesserte Wasserqualität, fördert ihre Verbreitung noch mehr.
Anfangs vermutete man das die Wollhandkrabben in Nahrungskonkurrenz mit Nutzfischen treten würde, dies konnte jedoch nicht nachgewiesen werden. Die einzige Art, mit der die Chinesische Wollhandkrabbe nachweislich konkurriert ist der Kamberkrebs. Bei diesem handelt es sich jedoch ebenfalls um ein Neozoon. Vereinzelt können Ufergebiete aufgrund der Wohnhöhlen einstürzen. Zudem gilt sie als Überträger der Krebspest (Bund für Naturschutz).
Bekämpft werden sie zum einen durch Fressfeinde, wie Aale, Barsche oder Graureiher, zum anderen durch spezielle Fangmaschinen oder per Hand.
Verwertet werden sie dann wie in ihrem Heimatland China als Delikatesse, in der Chitosan-Herstellung (z.B. Nahtmaterial in der Medizin) und bei der Biogas-Produktion (Biologie Seite).
Bisamratte (Ondatra zibethicus):Die Bisamratte (Bild) kommt ursprünglich aus Nordamerika und wurde von einem Fürsten von einer Jagdreise nach Böhmen eingeführt. Von dort breitete sich die Bisamratte in Deutschland und anschließend in ganz Europa aus. Später wurden Bisamratten z.B. nach Übersee transportiert, weitere Aussetzungen führten dazu, dass sie auch Asien besiedelten. Diese weite Ausbreitung wurde durch ihre gute Anpassung, fehlende Fressfeinde, ihre hohe Fortpflanzungsrate, gute klimatische Bedingungen und ihre große Wanderlust begünstigt.
Die Bisamratte ist perfekt an das Leben im Wasser angepasst und gilt in vielen Ländern als wertvolles Nutz- und Zuchttier. Sie gräbt als Unterschlupf Erdbauten oder sogenannte „Bisamburgen“ aus Schilf und anderen Wasserpflanzen. Ihre Ernährung ist fast ausschließlich pflanzlich und eine Bisamratte wird im Schnitt nur drei Jahre alt.
Gejagt werden sie von Fischottern, Füchsen und Uhus besonders aber vom Mink, ebenfalls ein Neozoon.
Heute besteht kaum bis kein Interesse am Pelz des Bisams und manche Länder tolerieren oder schützen die Bisamratte sogar. Seit 2017 steht sie jedoch auf der „Unionsliste“ für invasive Arten.
Viele Invasionsbiologen sind der Ansicht, dass die Bisamratte eine freie oder freigewordene Nische besetzt hat und durch ihre Wühltätigkeit und das Nutzen von Röhricht für ihre Bauten die Biodiversität sogar fördert.
Jedoch gibt es auch ökologische Probleme, die die Bisamratte mit sich bringt. Neben den Fraßschäden die sie verursacht, ist sie auch ein Zwischenwirt für den Fuchsbandwurm. Das Fressen von Muscheln und Krebstieren wird ebenfalls kritisch betrachtet.
Bekämpft wird sie durch Bejagung und den Einsatz von Bakterien als Krankheitserregern (Ministerium für Umwelt, Natur und Forsten).
Mink oder Amerikanischer Nerz (Neovison vison):Der Mink (Bild) ist ein Raubtier ursprünglich aus Nordamerika. In den 1950er Jahren sind einige Minks aus Pelzfarmen in Europa entlaufen oder wurden freigelassen und haben sich in Europa ausgebreitet (Paul Schöps: Die Anfänge der Pelztierzucht in Europa. In: Die Pelzwirtschaft Heft 1, Januar 1979).
Der Mink benötigt Wasser und ist so an Ufergebiete gebunden. Er lebt tagsüber versteckt in Höhlen und ernährt sich von Hasen, Mäusen, Fröschen, Krebsen und Bisamratten. Gelegentlich erbeuten sie auch Wasservögel und Fische.
Vielerorts haben sie den Europäischen Nerz schon komplett verdrängt, da der Mink deutlich größer und kräftiger ist. Auch auf einige andere Arten übt der Amerikanische Nerz einen starken selektiven Druck aus.
Im Oktober 2020 wurde durch die SARS-CoV-2 Pandemie das Auge der Öffentlichkeit wieder auf die Nerzfarmen, die bis heute existieren, gerichtet. Da die Tiere sich mit dem Virus infiziert hatten, wurden als Folge dessen Massentötungen durchgeführt.
Grundsätzlich wird der Nerz, obwohl er ein Neozoon ist, nicht bekämpft.
Maßnahmen der Europäische Union und Deutschlands gegen invasive Arten
Einordnung des Themas in die Bildungspläne von Baden-Württemberg
“Aufbauend auf die Evolutionstheorie von Darwin können die Schülerinnen und Schüler die Artbildung und die Entstehung von Angepasstheiten mithilfe der synthetischen Evolutionstheorie erklären. Sie verstehen die Biodiversität als genetische Vielfalt, Artenvielfalt und Vielfalt an Ökosystemen. Dabei wird ihnen die Bedeutung der Biodiversität und die besondere Verantwortung des Menschen für deren Erhaltung bewusst.” (3.4.6. Evolution und Genetik)
Die Einordnung in die Basiskompetenzbereiche des Faches Biologie ist insbesondere für die Bereiche System und Entwicklung sehr gut möglich.
System: In der modernen Biologie wird die lebendige Natur systemisch betrachtet als sogenannte „Wissenschaft von den Biosystemen“. Zu den Biosystemen gehören Zelle, Organismus, Ökosystem und Biosphäre. Hier unterscheidet man zwischen mehreren Ebenen. Die Elemente in den Biosystemen stehen miteinander in Wechselbeziehungen und sind abhängig voneinander. Auch die speziellen Eigenschaften von Biosystemen, wie zum Beispiel Stoff- und Energieumwandlungen, Steuerung und Regelung, Informationsverarbeitung, ... stehen in Wechselwirklungen zu dem jeweiligen Ökosystem und ergänzen so insgesamt die Struktur und Funktion.
Entwicklung: In diesem Basiskonzept wird zwischen der Individualentwicklung und der evolutionären Entwicklung unterschieden. Nicht nur Zellen und Organismen verändern sich artspezifisch mit der Zeit, auch Ökosysteme entwickeln sich im Laufe der Zeit und verändern so die Biosphäre. Die Individualentwicklung von Arten und Ökosysteme wird grundlegend durch genetische Anlagen und Umwelteinflüsse gesteuert. Diese Form der Entwicklung, die letztendlich also die gesamte biologische Vielfalt ausmacht, erkennt man auch gut in der Abbildung, in der die Elemente der Biodiversität in einem Dreieck dargestellt sind.
Die Entwicklung der Biosphäre und die Verantwortung der Menschen über die Ökosysteme wird als Unterrichtsmaterial im ersten Material für die Grundschule vorgestellt, indem es um die Vögel in
Neuseeland (interner Link) geht.
Unterrichtsthema „Invasive Arten“
Für das Unterrichtsthema „Invasive Arten“ eignen sich hervorragend Exkursionen (Bild) und Beobachtungen in der Natur, da die SuS so Ökosysteme selbständig entdecken und erkunden können. Dadurch lernen sie bestimmte Lebensräume kennen und können die Vielfalt der Lebewesen dort systematisch einordnen und entsprechende Daten erfassen. Anhand der systematischen Einordnungen ist es den SuS dann möglich, Ordnungskriterien abzuleiten und beispielsweise Nomenklaturen anzuwenden. Auch morphologisch-anatomische Betrachtungen von Lebewesen helfen dabei, Abwandlungen im Grundbauplan von Organismen zu verstehen. Des Weiteren können die SuS durch beispielsweise molekularbiologische Untersuchungen Verwandtschaften zwischen Lebewesen herausfinden und so die Vielfalt und Variabilität in Ökosystemen begreifen (siehe: Exkursionen)
Unterrichtsmaterial
Grundschule (Klasse 2 bis 4)
In der Grundschule ist ein weiteres wichtiges Thema des Sachkundeunterrichts der Themenbereich „Wasser“. Hier kann auch das Thema der Neobiota angeschlossen werden. Das Wasser ist nicht nur für Menschen überlebenswichtig, sondern auch für Tiere und Pflanzen.
In dem kurzen Clip der Tagesschau (20.05.2021) ist zu sehen wie sich Wasserlinsen über einen ganzen See so stark verbreitet haben, dass nun Menschen mit Baggern, Eimern und Sieben probieren diese aus dem See zu entfernen, um ihn als Lebensgrundlage zu erhalten. Die Wasserlinse war dort ursprünglich nicht heimisch.Für Grundschüler/innen ist dies ein guter Übergang, um zu verdeutlichen was invasiv bedeutet und wie invasive Pflanzen unser Ökosystem und unsere Lebensgrundlage, das Wasser, in Anspruch nehmen.
Auch bei älteren SuS, der höheren Klassen, kann dieses Beispiel gezeigt werden, da in diesem Fall auch der Mensch an der starken Verbreitung der Wasserlinsen beteiligt war. Den Wasserlinsen wurde durch falsch abgeleitetes Abwasser eine perfekte Lebensgrundlage geschaffen.
Unterstufe/Mittelstufe (Klasse 5 bis 9)
Mit älteren SuS bietet es sich z.B. an einen Stationenlauf zu gestalten, bei dem sich die SuS größtenteils selbstständig oder in Partnerarbeit mit dem Thema auseinandersetzen. An jeder Station befinden sich verschiedene Informationsmaterialien und Aufgaben, die von den SuS durchgearbeitet werden sollen.
Mögliche Stationen wären zum Beispiel:
Was ist eine biologische Invasion?
Wo gibt es biologische Invasionen?
Wie verlaufen biologische Invasionen ab? – Transportwege?
Alles (k)ein Problem?
Was tun?
Im Folgenden sind Beispiele für Aufgaben, die die SuS während des Stationenlaufs bearbeiten können, gezeigt. (Die Beispiele sind z.T. Ausschnitte aus Arbeitsmaterial des Naturkundemuseums Potsdam: In der Spur des Menschen)
Wo gibt es biologische Invasionen?
Wie verlaufen biologische Invasionen? – Transportwege?
Die SuS können sich eine fremde Spezies heraussuchen und die Verbreitung dieses Tieres oder dieser Pflanze genauer betrachten und in einer Weltkarte die Verbreitung und den Verbreitungsweg farbig unterschiedlich einzeichnen. Auch kann im weiteren Verlauf die Verbreitung weiterverfolgt werden, indem je ein Neobiota für ein Kontinent ausgesucht und in die folgende Tabelle eingetragen wird.
Was kann man tun?
Die SuS sollen sich mit den unterschiedlichen Bekämpfungsmöglichkeiten gegen Neobiota auseinandersetzen.
Oberstufe (Klasse 9-13)
Bestimmung verwandter Arten am Beispiel Staudenknöteriche
Die SuS können z.B. selbst Pflanzenmaterial mitbringen, es wird von der Lehrperson gestellt oder in eine Exkursion integriert. Dieses und das folgende Beispiel entstammen aus KORINA Invasive Neophyten Jahrgangsstufe 9-12.
Wachstumsversuche
An den mitgebrachten Staudenknöterich Proben kann z.B. getestet werden, wie lange ein Staudenknöterich braucht, um wieder zu wurzeln oder wie schnell aus einer Wurzel wieder eine Pflanze wächst. Es können unterschiedliche Nährstoffkonzentrationen, Wassermengen, wenig oder viel Sonnenlicht oder in Erde gepflanzt bzw. Hydrokultur ausprobiert werden. Dies soll den SuS verständlich machen, wieso sich Neophyten teilweise so schnell und invasiv ausbreiten können.
Gesellschaftliche und ethische Betrachtung
Das Thema Invasive Arten bietet vielfältige Möglichkeiten ein aktuelles biologisches Thema gesellschaftspolitisch, bzw. unter ethischen Aspekten zu betrachten. Hier ein paar Anregungen:
- Ist eine "fremde" Natur nicht besser als keine Natur?
- Darf die Menschheit, die selbst den invasivsten Einfluss auf die Natur hat, überhaupt über andere Lebewesen richten?
- Ist es erlaubt eine invasive Spezies auszurotten, um andere Arten zu retten, sind manche Arten mehr wert als andere?
- Ist es ethisch vertretbar genetisch einen Todesfaktor einzubauen
(siehe: Instrumente zur Regulation und dem Management)
Da es in den Klassen für SuS mit einer geistigen Behinderung eine hohe Individualität im Leistungsvermögen der einzelnen SuS gibt, ist es hier eher schwer ein allgemeines Unterrichtsmaterial vorzustellen. Jede/r Schüler/in muss sehr individuell gefördert werden und je nach SuS kann Material aus allen Schularten und Klassenstufen benutzt werden.
Im Allgemeinen sollte das Thema der Neobiota hier jedoch von einem einfacheren Standpunkt aufgenommen werden ähnlich wie bei Grundschulkindern. Zum Beispiel geht man davon aus was passieren kann, wenn Menschen ihre Haustiere aussetzen. Es können zwei Tiere verglichen werden wie zum Beispiel die Katze (als Haustier) und der Waschbär (als wildlebendes Tier). Was sind ihre Unterschiede? Schädlichkeit für die Umwelt, Ausbreitung, Nahrung,… Es kann eine Art Steckbrief zu beiden Tieren erstellt werden mit wenigen knappen Informationen. Danach wird besprochen was passiert, wenn eine Katze von zu Hause wegläuft. Wo bekommt sie ihre Nahrung her? Was passiert, wenn sie Babys bekommt? Wird sie dadurch anderen Tieren schaden?
Weitere Quellen mit Informationen und Materialien zur Unterrichtsgestaltung
Koordinationsstelle invasive Neophyten in Schutzgebieten Sachsen-Anhalts:
Methodenheft 9-12
Grundschule:
Grundschule & Sekundarstufe:
https://www.umwelt-im-unterricht.de/hintergrund/neobiota-wie-neue-arten-oekosysteme-veraendern/
Umweltbildungszentrum (UBZ) Steiermark:
Ludwig Maximilians Universität München:https://www.bio.lmu.de/studium/lehrerbildung_lmu/ideenfinder/invasive-arten/index.html
Bild und Informationsquellen
Bildquellen nach Erscheinen:
Bilder, die nicht mit einem Link versehen sind, entstammen Creative Commons Lizenzen ohne Zitierpflicht
Streifenhörnchen:This image was originally posted to Flickr by Frank.Vassen at https://www.flickr.com/photos/42244964@N03/4872136297.
Bemisia tabaci: http://www.scienceimage.csiro.au/image/1357
Flechte: https://www.umweltbundesamt.de/themen/nachhaltigkeit-strategien-internationales/antarktis/die-antarktis/die-flora-der-antarktis
Meerwalnus: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Meerwalnuss5.jpg
Götterbaum: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:G%C3%B6tterbaum_2011_Ailanthus_altissima_MA.JPG
Riesenbärenklau: https://pixabay.com/de/photos/b%C3%A4renklau-blume-blumen-natur-3511352/
Wollhandkrabbe: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:EriocheirSinensis5.jpg
Bisamratte: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Verbreitungsgebiet_Bisamratten.jpg
Mink: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Kunawodna3.JPG
Diversitätsdreieck: https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Elements-of-biodiversity.png
Ekursionsbild: https://gym-pw.de/leben/fahrten/exkursionen/%20Informationsquellen nach Erscheinen:
Blackburn et al., 2019: Alien versus native species as drivers of recent extinctions doi.org/10.1111/brv.12627
Tabelle Definition: https://www.umwelt-im-unterricht.de/fileadmin/user_upload/2017_TdW_KW_22/uebersicht_bfn_flora_fauna_einheimische_und_gebietsfremde_arten.pdf
Pysek et al. 2020: Scientists' warning on invasive alien species doi.org/10.1002/fee.2020
Roques, 2009: Species Accounts of 100 of the Most Invasive Alien Species in Europe, Handbook of Alien Species in Europe, Springer Series in Invasion Ecology
Datenblatt Bemisia tabaci: https://pflanzengesundheit.julius-kuehn.de/bemisia-tabaci.html
Seebens et al., 2020: Projecting the continental accumulation of alien species through to 2050 doi.org/10.1111/gcb.15333
Antarktis aus Rößiger, 2020: https://www.spektrum.de/news/menschen-schleppen-invasive-arten-in-die-antarktis-ein/1718546
Doherty et al., 2016: Invasive predators and global biodiversity loss doi.org/10.1073/pnas.1602480113
Landesbetrieb Hessisches Landeslabor: https://lhl.hessen.de/veterin%C3%A4rmedizin/spulwurmbefall-baylisascaris-procyonis-beim-waschb%C3%A4r-hessen
Citizen Science Projects on IAS: https://easin.jrc.ec.europa.eu/easin/CitizenScience/Projects
Spektrum Video: Gene zum Schweigen gebracht: https://www.youtube.com/watch?v=cL-IZnpY6Qg
Neuseeland threatened species strategy: https://www.doc.govt.nz/contentassets/97142dceee6b4f0e95a625ab4fa58dfc/threatened-species-strategy-draft.pdf
Australien threatened species strategy: https://www.environment.gov.au/biodiversity/threatened/publications/strategy-home
Info Seite WWF: https://www.wwf.de/themen-projekte/biologische-vielfalt/invasive-arten-gefahren-der-biologischen-einwanderung
Info Seite NABU: https://www.nabu.de/tiere-und-pflanzen/artenschutz/invasive-arten/unionsliste.html
AGIN: https://www.dora.lib4ri.ch/wsl/islandora/object/wsl%3A24686/datastream/PDF/Knüsel-2020-Der_Götterbaum_in_der_Schweiz.-%28published_version%29.pdf
Gartentipps.com: https://www.gartentipps.com/riesen-baerenklau-erkennen-und-bekaempfen-so-schuetzen-sie-sich-vor-der-giftigen-pflanze.html
Bund für Naturschutz: neobiota.bfn.de
Biologie Seite: https://www.biologie-seite.de/Biologie/Chinesische_Wollhandkrabbe
Anfrage zur Bisamratte: https://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/QQD14-2614.pdf#page=2
Bundesamt für Naturschutz zum Management Handbuch: https://www.bfn.de/fileadmin/BfN/presse/2016/barrierefrei_Hintergrundinformation_Management-Handbuch_gebietsfremde_Arten_Jessel_barrierefrei.pdf
Bildungspläne Baden Württemberg 2016: https://www.bildungsplaene-bw.de/,Lde/Startseite
Bestimmungshilfe: https://www.globe-swiss.ch/files/Downloads/160/Download/Bestimmungshilfe%20Invasive%20Neophyten.pdf
WELT Nachrichtensender Bärenklau: https://www.youtube.com/watch?v=lqeSnXxmlIU
Kieler Nachrichten Bärenklau: https://www.kn-online.de/Nachrichten/Schleswig-Holstein/Schoen-und-gefaehrlich-Warnung-vor-dem-Riesenbaerenklau
Tagesschau Titicacasee: https://www.instagram.com/p/CPGitY9pStx/?utm_medium=copy_link